Überschaubare IT-Wissenshäppchen

Die IT-Messe Orbit steht am Scheideweg. Zwar bekräftigen viele Marktteilnehmer die Wichtigkeit einer nationalen Plattform, der Wille zur Teilnahme ist aber klein. Am dritten Messetag soll deshalb ein völlig neues Konzept präsentiert werden. Einige Leckerbissen gibt's auch 2009.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/09

     

Dass die grösste IT-Messe der Schweiz leidet ist weder neu, noch erstaunlich. Noch bevor die Orbit über die Bühne geht, haben bereits die Probleme verschiedener internationaler Messen aufgezeigt, wie schwer die Wirtschaftskrise den auch sonst schon schrumpfenden IT-Messen zusetzen kann. Die Systems in München ist Schnee von gestern und die grosse Orbit-Schwester Cebit musste trotz Unterstützung des kalifornischen Gouverneurs Arnold Schwarzenegger deutlich Federn lassen.

Schon im letzten Frühling, als die Wirtschaft noch richtig am Brummen war, konnte die Orbit die Zahl der Besucher im Vorjahresvergleich auf gerade mal knapp 17’000 Eintritte stabilisieren. Von 2006 auf 2007 brachen die Besucherzahlen um 4500 Gäste ein. Die Ausstellerzahlen sanken ebenfalls drastisch: Von rund 500 im Jahr 2007 auf 370 im vergangenen Jahr. In diesem Jahr fällt dieser Rückgang - prozentual gesehen - noch drastischer aus. Insgesamt finden sich noch rund 250 Firmennamen auf der Ausstellerliste. In Anbetracht dessen, dass die Zahl der Hallen im Vergleich zum Vorjahr beibehalten wurde, dürften die Platzverhältnisse grosszügig ausfallen. Entsprechend übersichtlich präsentiert sich der Hallenplan.


Fairerweise muss dabei berücksichtig werden, dass die Aussteller-Akquisition gerade in die Zeit fiel, als zahlreiche Firmen aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage in eine Angststarre verfielen und das Marketingbudget rigoros zurechtstutzten. Dennoch muss man kein Experte sein, um zu erkennen, dass das im letzten Jahr von Messeleiter Giancarlo Palmisani formulierte Ziel, die Besucherzahlen mittelfristig wieder auf 20’000 Personen zu heben mit dem aktuellen Messekonzept wahrscheinlich kaum zu erreichen sein wird.

Die Orbit ist tot - es lebe die Orbit

Entsprechend wollen die Verantwortlichen des Veranstalters Exhibit & More die Orbit in ihrer bekannten Form beerdigen und einen kompletten Neustart wagen. Moment! Kommt das dem belesenen Branchenkenner nicht irgendwie bekannt vor? Genau: Kurz nach dem offiziellen Aus für die Münchner Messe Systems kündigten auch deren Veranstalter eine neue Veranstaltung mit komplett neuem Konzept an. «Discuss & Discover» soll die neue Plattform heissen und ein aus sechs Modulen bestehender Branchen-Event werden, bei dem die klassische Produktschau konsequent in den Hintergrund rückt.


Folgen die Orbit-Veranstalter also lediglich ihren Kollegen aus Deutschland? «Ich liebe abstrakte Kunst», sagt Exhibit-Chef Urs Ingold gegenüber IT Reseller. «Aber ich mag keine abstrakten Business-Cases.» Im Gegensatz zu München sei das neue Zürcher Konzept «greifbar». Details will Ingold aber noch nicht preisgeben. «Nur soviel: Es handelt sich um eine komplett neue Veranstaltungsform», gibt er sich geheimnisvoll. Genaue Informationen gibt es dann am Donnerstag, dem 14. Mai, anlässlich einer «Foundation Party» im Messezentrum Zürich. Für Ingold ist es jetzt wichtig, die letzte Orbit im bekannten Gewand «mit Anstand über die Bühne zu bringen». Die Anzeichen dafür seien gegeben, denn obwohl die Zahl der Aussteller massiv zurückgegangen ist, konnten die Organisatoren den einen oder anderen Coup landen.

Schwere Brocken an Land gezogen

Der vielleicht spektakulärste Neuzugang stellt in diesem Jahr der Virtualisierungs-Marktführer Vmware dar. «Wir werden zusammen mit APC und einigen Partnern einen 150 Quadratmeter grossen Stand belegen», sagt Othmar Bienz, Regional Manager VMware Schweiz zu IT Reseller. Dabei wolle man insbesondere seine Lösungen im Bezug auf Green IT und Datacenter-Technologie präsentieren. Auch VMwares Konkurrent Citrix ist in diesem Jahr mit von der Partie und zwar gleich mit einem 200 Quadratmeter grossen Partnerstand. Dank der kürzlich erfolgten Ankündigung von VMwares Cloud-Betriebssystem «vSphere» dürfte der Stand des Virtualisierungsriesen einer der grossen Publikumsmagneten der diesjährigen Messe werden. «Die Zusagen von VMware und Citrix sind für die Orbit sehr wichtig», freut sich Palmisani. Das Thema Virtualisierung sei sehr aktuell und ziehe viel Publikum an. Im Zusammenhang mit diesem Thema wird sich VMware auch an der Orbit-Konferenz beteiligen, wo am letzten Tag auf das Thema Green IT ein besonderes Augenmerk gelegt wird.

Erstmals mit Orbit-TV

An einem weiteren Novum der diesjährigen Orbit-Ausgabe ist auch der IT-Reseller-Verlag Vogel Business Media beteiligt. Zusammen mit den Partnern Canon, Adobe und Dr. W.A. Günther Media Rent wird in diesem Jahr erstmals ein Orbit-TV mit tagesaktuellen Beiträgen produziert. An einem 150-Quadratmeter-Gemeinschaftsstand können die Besucher die Produktion der Beiträge Schritt für Schritt mitverfolgen. In einem Teil des Standes wird das Aufnahmestudio aufgebaut, wo laufend Interviews mit Ausstellern und Messebesuchern aufgezeichnet werden.


In der nächsten Produktionsstation wird das Rohmaterial geschnitten und mit grafischen Elementen versehen. An der letzten Station werden die Videos für die unterschiedlichen Zielsysteme aufbereitet und an die verschiedenen Ausgabesysteme verteilt.

Schmerzliche Absagen eingegangen

Dennoch mussten die Veranstalter gewichtige Absagen verkraften. So verzichtet beispielsweise Swisscom, anders als Konkurrent Cablecom, auf einen Messeauftritt. Der Telekom-Riese war im vergangenen Jahr mit dem Geschäftsbereich KMU in Zürich vertreten. «Per 1. Januar hat man sich dazu entschlossen, alle bestehenden Engagements im Bereich von B2B-Messen zu sistieren», begründet Swisscom-Mediensprecher Olaf Schulze diesen Schritt gegenüber IT Reseller. Studien und die Auswertung der eigenen Messeauftritte in den vergangenen Jahren hätten gezeigt, dass die Messen meist rückläufige Besucherzahlen aufweisen würden. «Deshalb wird Swisscom im KMU-Bereich vermehrt in eigene Kundenveranstaltungen investieren.»

Eine weitere schmerzliche Absage kam vom Softwareriesen SAP. Die Walldorfer fehlten zwar schon im vergangenen Jahr, begründeten dies damals aber mit der gleichzeitig stattfindenden Hausmesse Sapphire in Berlin. Man werde jedoch eine Teilnahme für 2009 wieder in Betracht ziehen, hiess es damals. Jetzt ist das Engagement anscheinend am Desintresse der Parnter von SAP gescheitert. Man betrachte die Orbit zwar als wichtige Plattform für die Schweizer IT-Branche, habe aber seitens der Partner nur drei positive Rückmeldungen für die Teilnahme an einem Partnerstand erhalten. Mindestens acht hätte man gebraucht. Wie auch Sage setzt SAP lieber auf eigene, regionale Anlässe denn auf grosse Messen.


«Nach Angaben von Marktteilnehmern braucht es eine Gesamtplattform für die IT-Branche in der Schweiz», sagt auch Urs Ingold. Die Branche müsse sich aber Engagieren und zusammenstehen. Dieser Zusammenhalt sei in der IT-Branche aber deutlich schwächer ausgeprägt als in anderen Branchen. «Wir stellen lediglich das Gefäss bereit. Füllen müssen es die Marktteilnehmer», fügt er hinzu. Trotz Ausstellerschwund ist Ingold überzeugt, dass die diesjährige Orbit inhaltlich «anständig» daherkommt. «Das diesjährige Konferenzprogramm beispielsweise ist das ausführlichste seit langem.»

Auch mit der Verleihung des «Green IT Innovation Awards», der in Zusammenarbeit mit dem WWF und anderen Partnern vergeben wird, bedient die Orbit ein aktuelles Thema. Alle Informationen betreffend der Austeller, des Konferenzprogramms und der Messethemen finden sich unter www.orbit.ch. (Markus Gross)


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