Die ICT-Branche wächst rasant und steht vor einem Kraftakt

Ohne junge Talente verliert die ICT ihre Kraft. Und mit ihr eine ganze Volkswirtschaft, die längst auf digitale Impulse angewiesen ist, wie die aktuelle Studie «ICT-Fachkräftesituation: ­Bedarfsprognose 2033» aufzeigt.

Artikel erschienen in IT Reseller 2025/10

   

Die Schweiz hat ein Wachstumswunder erlebt. Seit 2010 ist die Zahl der ICT-Berufstätigen von 160’000 auf 266’000 gestiegen. Ein Plus von fast 70 Prozent. Während die Gesamtbeschäftigung im gleichen Zeitraum nur um 16 Prozent zunahm, ist die ICT zu einem der wichtigsten Motoren der Wirtschaft geworden. Mit einer Bruttowertschöpfung von 38,5 Milliarden Franken liegt sie gleichauf mit Bau, Pharma oder Finanzdienstleistungen.

Doch hinter den beeindruckenden Zahlen verbirgt sich eine gewaltige Herausforderung. Bis 2033 werden 128’600 zusätzliche ICT-Fachkräfte benötigt. Diese Zahl setzt sich aus drei Treibern zusammen.


- Erstens gehen 33’200 erfahrene Mitarbeitende in Pension.

- Zweitens kehren 33’800 Zugewanderte in ihre Herkunftsländer zurück.

- Drittens entstehen über 60’000 neue Stellen, weil die Digitalisierung quer durch alle Branchen zusätzliche Aufgaben schafft.

Man kann diese Dimension schwer greifen. Am besten stellt man sich ein KMU mit 50 ICT-Mitarbeitenden vor. Bis 2033 muss es 25 zusätzliche Fachkräfte finden. Das entspricht der Hälfte der heutigen Belegschaft.

Berufsbildung als Rückgrat

Die wichtigste Antwort liegt in der Berufsbildung. Sie ist das Rückgrat der gesamten Ausbildungskette. Laut Studie haben 81 Prozent aller ICT-Abschlüsse ihren Ursprung in einer Lehre. Fast jede zweite Person mit Fähigkeitszeugnis erreicht innerhalb von fünf Jahren einen Tertiärabschluss.

Wer heute also eine Lehrstelle anbietet, beliefert gleichzeitig Fachhochschulen, höhere Berufsbildung und sogar Universitäten mit Talenten. Die Berufsbildung ist damit das Fundament, auf dem das gesamte System steht.


Heute absolvieren rund 11’500 Jugendliche eine ICT-Lehre. Damit die Branche den prognostizierten Bedarf decken kann, muss die Lehrstellenquote von 5,9 auf 8,8 Prozent steigen. Auf neun ICT-Beschäftigte soll mindestens eine lernende Person kommen. Dabei zeigt sich klar, dass es nicht an Interesse mangelt. Jugendliche wollen in die ICT einsteigen, gerade Mediamatiker-Lehrstellen sind oft mehrfach überzeichnet. Das Problem liegt also weniger bei der Motivation der jungen Menschen, sondern bei der Zahl der angebotenen Lehrstellen. Ökonomisch betrachtet ist das ein klassisches Marktversagen. Die Nachfrage ist da, doch das Angebot bleibt ­zurück.

Die Zahlen sind das Ergebnis eines präzisen Modells. Es berücksichtigt Ersatzbedarf durch Pensionierungen, Rückwanderung, den Zusatzbedarf aus Wirtschaftswachstum und Digitalisierung, und es gleicht dies mit dem erwarteten Output des Bildungssystems ab. Ohne den Anstieg auf eine Lehrstellenquote von 8,8 Prozent bleibt eine Lücke von 54’400 Fachkräften, die weder durch Zuwanderung noch durch Weiterbildung geschlossen werden kann.

Wenn der Nachwuchs fehlt

Auf den ersten Blick scheinen Unternehmen heute keine Mühe zu haben, ihre ICT-Stellen zu besetzen. Der Arbeitsmarkt funktioniert, Fachkräfte sind verfügbar, grössere Engpässe sind kaum spürbar. Die Prognose der Studie aber ist eindeutig. Der Engpass wird sich schrittweise in den nächsten Jahren aufbauen.

Wenn diese Lücke nicht geschlossen wird, greifen Unternehmen zu Notlösungen. Sie weiten Rekrutierungsprozesse aus, senken die Anforderungen, lagern Aufgaben ins Ausland aus oder stellen weniger qualifizierte Personen ein. Kurzfristig kann das helfen, langfristig führt es zu Produktivitätseinbussen und Wertschöpfungsverlusten.


Besonders heikel ist, dass alle Länder mit denselben Problemen kämpfen. Überall steigt der Bedarf nach ICT-Kompetenzen. Der globale Wettbewerb um Talente wird härter, und niemand kann sich mehr darauf verlassen, dass die Schweiz den Nachwuchs einfach im Ausland findet. Es ist, als ob alle gleichzeitig am selben Brunnen stehen. Wer nicht rechtzeitig in die eigene Quelle investiert, steht irgendwann ohne Wasser da.

Das Nervensystem der Wirtschaft

Die ICT ist das Nervensystem der Wirtschaft. Zwei von drei Fachkräften arbeiten nicht in klassischen IT-Firmen, sondern in Banken, in der Industrie, in der öffentlichen Verwaltung oder in Schulen. Sie halten Prozesse am Laufen, sorgen für Sicherheit und ermöglichen Innovation. Fehlen sie, gerät das System ins Stocken
Die Studie spricht von einer Querschnittsfunktion. Das heisst, ICT-Kompetenzen durchziehen alle Sektoren. Wenn die Talente fehlen, betrifft das nicht nur die Branche selbst, sondern die gesamte Volkswirtschaft. Ein Finanzinstitut ohne Security-Spezialisten ist so verwundbar wie ein Spital ohne Pflegepersonal.

Eine gemeinsame Aufgabe

Die Zahlen zeigen, dass es nicht genügt, wenn nur die Kernbranche Lehrstellen schafft. Weil ICT überall gebraucht wird, müssen auch alle Branchen Verantwortung übernehmen. Jeder Betrieb mit einer ICT-Abteilung trägt zu diesem Nervensystem bei und sollte sich überlegen, wie er den Nachwuchs fördert.

Auch die Politik ist gefordert. Bisher fehlen wirksame Instrumente, um alle Betriebe gleichermassen in die Pflicht zu nehmen. Ein Berufsbildungsfonds wäre ein starkes Signal, weil er sicherstellt, dass nicht nur die engagierten Unternehmen investieren, sondern auch jene, die bisher abseits stehen.

Swico handelt

Swico belässt es nicht bei der Analyse. Mit dem digitalen Manual lehrbetrieb-werden.ch bietet der Verband Unternehmen konkrete Hilfestellung, wie sie den Schritt zum Lehrbetrieb schaffen. Damit aus Prognosen Realität wird, braucht es nicht nur Zahlen, sondern Taten. «Ohne neue Talente fehlt der Schweiz nicht nur Innovationskraft. Es geht um nichts weniger als unseren Wohlstand», warnt Jon Fanzun, CEO des Swico.

Die Autorin

Quelle: Swico
Franziska Vonaesch kennt Kommunikation aus verschiedenen Perspektiven: Als Kommunika­tionsfachfrau war sie für internationale Grossfirmen tätig, brachte als Verlagsleiterin einen regionalen Verlag erfolgreich auf den Weg in die Zukunft und gründete schliesslich ihr eigenes Kommunikationsunternehmen. Seit September 2022 ist sie bei Swico verantwortlich für die Kommunikation.


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